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01.11.2007

Kompetenzen für Regionen - Turbo für Prozesse

Beim Bundesforschungsministerium sind aus 30 Regionen die 130 besten Netzwerke aus 18 Themenfeldern gelistet.

Beim Bundesforschungsministerium sind aus 30 Regionen die 130 besten Netzwerke aus 18 Themenfeldern gelistet. Sie umfassen 1 600 Forschungseinrichtungen und 6 000 Unternehmen. Allein die Region Stuttgart mit 2,7 Mio. Einwohnern managt von der Brennstoffzelle über Mechatronik bis zur virtuellen Realität 14 Kompetenznetzwerke. 2004 wurden ihre Innovationsaktivitäten mit dem "European Award of Excellence" der EU-Kommission gewürdigt.

Bionik, Bio- und Nanotechnologie, Medizin und Umwelttechnik oder Materialforschung: Kaum ein Themenfeld, das Wachstum und Wohlstand verheißt, bleibt in Deutschland unbesetzt, um sich im Wettbewerb um die besten Köpfe zu positionieren.Abhängig von Definition und Wirkungsgrad von Netzwerken, Clustern und Plattformen gehen Experten von bundesweit 1 000 bis 2 000 Kooperationen aus.

Auch wenn bereits erste Studien und Diplomarbeiten zum Thema vorliegen - verlässliche Zahlen gibt es nirgendwo. Nur soviel scheint im internationalen Maßstab sicher: In keinem Land der Erde wird - bezogen auf die Einwohnerzahl - so viel systematisiert geforscht und kooperiert wie in Deutschland. Das heißt aber auch: Sämtliche Themen sind überbesetzt und oft zu kleinräumig angelegt.

Im Ausland mehr Finanzmittel

"Viele Netzwerke sind bei genauem Hinsehen Marketinginstrumente kreativer Wirtschaftsförderer oder verlängerter Arm einzelner Hochschulen", ist etwa im Bundesforschungsministerium zu hören. Und Dr. Martin Zagermann, Netzwerkstratege der prämierten Region Stuttgart, sieht im internationalen Vergleich mit Regionen wie Barcelona, Helsinki, Stockholm oder Linz die dortigen Cluster-Manager mit deutlich höheren Ressourcen an Personal und Budget ausgestattet als in Deutschland. Zum Vergleich: Die Region Stuttgart erhält 8 Mio. Euro öffentlicher Wirtschaftsförderung pro Jahr, die Region Linz 100 Mio. Euro - bei halb so vielen Einwohnern. Und in Helsinki finanzieren Konzerne wie Nokia kräftig mit.

Eines zeichnet aber alle guten Netzwerke aus: Sie werden zu 70% von innovativen Anwenderfirmen getragen, aber über ihre politische Verankerung in Behörden, Gremien und staatlichen Hochschulen entwickeln sie in der Breite Effizienz. Diesen Eindruck bestätigen Beobachtungen im Ausland, wo die hoch subventionierten Cluster politisch meist straffer gesteuert werden, oft in Verbindung mit Existenzgründerzentren und Forschungsaufträgen.

In der föderalistisch organisierten Bundesrepublik hingegen enden Netzwerke nicht selten an der Kreis-, aber fast immer an der Landesgrenze. Ein gutes Beispiel ist die Mechatronik, in der die Disziplinen Mechanik, Elektronik und Software von der programmierbaren Kaffeemaschine bis zum Automobil mit 200 diversen Features immer mehr verschmelzen.Allein zu dieser Thematik sind bundesweit in den vergangenen zehn Jahren knapp 20 "Hochburgen" entstanden.

Cluster sind meist Manager-zentriert

Mit zu den ältesten und effizientesten gehört das Kompetenznetzwerk Mechatronik Göppingen e.V., das 2001 aus einem regionalen Cluster- Profiling hervorging, welches der 1994 gegründete Verband Region Stuttgart (VRS) angestoßen hatte. Der VRS, den seither fünf Landkreise und die Landeshauptstadt Stuttgart gemeinsam bilden, betreibt die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS),die hälftig über eine Umlage der 179 Kommunen und Drittmittel finanziert wird. Die WRS trug seit 1996 die Idee der Cluster-Bildung nach US-Vorbild in die Breite, um lokale Stärken sichtbar zu machen. Zusammen mit der Kreisstadt Göppingen, deren 57 000 Einwohner im Umfeld von DaimlerChrysler, Porsche, HP und IBM vom Maschinenbau geprägt sind, und der örtlichen Fachhochschule für Mechatronik gründeten 25 Firmen den Mechatronik-Verein. "Netzwerke brauchen klare Spielregeln in Sachen Aufnahmebedingungen, Unkostenbeteiligung, Ziele und Strategie", sagt Mechatronik-Verein-Geschäftsführer Volker Schiek, der zuvor Entwicklungschef eines mittelständischen Unternehmens war.

Schieks Charakterisierung entspricht Erkenntnissen der US-Greenbook-Studie, die seit 1990 über einen Zeitraum von elf Jahren 250 Cluster ausgewertet hatte. Demnach sind 90% aller Netzwerke auf die Person des Managers zugeschnitten und in 40% aller Kooperationen hängt deren Erfolg sogar ausschließlich von ihm ab. In den USA werden übrigens 50% aller Netzwerke von Leuten wie Schiek, die aus der Industrie kommen, geführt. Je 25% waren zuvor Verwalter oder Unternehmensberater. Drei Viertel betreiben themenspezifische Arbeitsgruppen
und fast ähnlich viele kooperieren mit anderen Netzwerken.

Diese Strukturen finden sich auch im Göppinger Mechatronik-Netzwerk wieder, das innerhalb der EU-weit prämierten Region Stuttgart wiederum zu den aktivsten gehört.Folgende Elemente beleben den Cluster:
1. Die jährliche Mitgliederversammlung besuchen knapp 50% der Vereinsmitglieder. Üblich sind bei vergleichbaren Organisationen 10% bis 25% Reichweite, bedingt durch den Termindruck der Betroffenen und die räumliche Entfernung von bis zu 100 Kilometern.
2. Der jährliche Fachtag erreicht 70% der Mitgliedsbetriebe, die den Branchentreff vom Entwicklungsleiter aufwärts bis zum Geschäftsführer als wichtige Informationsquelle besuchen. Gut 40% der Besucher sind externe, weshalb der Fachtag auch ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit und der Mitgliederwerbung ist.
3.Viermal jährlich finden Workshops zu spezifischen Themen wie Medizintechnik oder BUS-Systemen statt, die je nach Relevanz und Rahmen 30 bis 120 Teilnehmer haben. Hier kommen meist Top-Referenten von Branchenführern zu Wort,die wiederum als Multiplikatoren des Netzwerks fungieren.
4. Zehnmal jährlich tritt der Verein als Mitveranstalter in Erscheinung. Das reicht vom Messestand etwa auf der "Automatica" in München über die Moderation bei Fachkongressen bis zu Publikationen in Fachmedien.
5. Ca.alle drei Wochen erhalten die Mitglieder einen zwei bis zehn Seiten umfassenden Newsletter per Mail, der über Termine, Fördermittel, Erfolge oder neue Projekte und Mitglieder berichtet.

Nutzen lässt sich selten in Euro messen

Aktuell kooperiert offenbar fast die Hälfte aller Mitglieder in Projekten, die je nach Komplexität drei Monate bis drei Jahre dauern. Ein Projekt hat jeweils drei bis acht Partner, die mit je ein bis drei Mitarbeitern eingebunden sind. Die Themen reichen von weiterentwickelten BUS-Systemen für die Automobilindustrie über die Vernetzung und Vermarktung von Medizintechnikpartnern oder die Visualisierung von Automation bis hin zu einem EU-Förderprojekt, das KMUs und Wissenschaft zusammenbringt, sowie einer Software, die den direkten Austausch von SAP-Büro-Welt mit der CAD-Produktionswelt. Hinzu kommen jährlich mehrere Diplomarbeiten, die zwischen angehenden Ingenieuren und erkenntnisorientierten Betrieben vermittelt werden.

In Euro lässt sich der Erfolg solcher Netzwerke nur sehr vage messen, weil selten klar ist, wann und wo die zündende Idee kam. Die Erfahrung etlicher Netzwerke legt aber nahe, dass Prozesse um den Faktor zehn beschleunigt werden. Jens Mohrmann, Geschäftsführer des Virtual Dimension Center in Fellbach: "In der Regel finden wir bundesweit binnen Tagen den Partner, den eine Firma ohne uns oft monatelang vergeblich sucht." Mehr noch: Oft kommt nur der Cluster- Manager an den relevanten Experten heran, weil man sich persönlich kennt. Mechatronik-Mann Schiek gibt zudem zu bedenken, dass es nicht nur darum gehe, einen generell kompetenten Partner zu finden, sondern den spezifisch besten zum richtigen Zeitpunkt.

Cluster sind ein Beschäftigungsmotor

Gute Netzwerke liefern ihren Partnern darüber hinaus weiteren Mehrwert: Das umfasst Analysen zu Wettbewerbssituation und Weiterbildungsbedarf, Patentrecherche und Technologietransfer, gelegentlich auch Prognosen zur globalen Marktentwicklung mit regionalen Unterschieden, die etwa in kontinental verschiedenen Körpermaßen oder Sicherheitsstandards ihre absatzrelevanten Ursachen haben. Auch hier befruchtet sich in Netzwerken der Mix aus Global Playern und KMUs.

Die Greenbook-Studie belegt, dass innerhalb solcher Cluster-Regionen gut 30% der Erwerbstätigen im Umfeld der Netzwerkthematik arbeiten. Deren Löhne liegen ein Drittel über dem regionalen Niveau und ihre Wertschöpfung sogar 44% über dem Durchschnitt. Und: Je 10 000 Jobs bringen die Cluster-Beschäftigten 21,7 Patente pro Jahr hervor, während der Querschnitt bei 1,3 liegt.

Kompetenzen stärken
Eigene Regionen, die sich auf strategische Cluster konzentrieren, liegen beim Wachstum vorn. Das stellt der Prognos-Zukunftsatlas 2007 fest. Nur sie entwickeln genug Ausstrahlungskraft, um auch das Umfeld profitieren zu lassen.

Politik, Unternehmen und Institutionen müssen sich weiterhin auf die besonderen Kompetenzen von Regionen konzentrieren. Technologische Cluster haben unterschiedliche Strukturen und Life Cycles. Ihre Unterstützung braucht eine genaue Analyse und langfristige Strategie.

Aber auch Regionen ohne Hightech-Potenziale profitieren von dem Prinzip des "Stärken stärken". Cluster optimieren dabei die Ressourcenausstattung und Kompetenz, sodass sie Standorte im globalen Maßstab zu den bestgeeigneten herausbilden. Sie erhöhen die Wahrnehmung durch die Key Player des globalen Wettbewerbs.

Global oder regional
Trotz aller Globalisierungstendenzen: Die Bedeutung regionaler Wirtschaftsräume nimmt zu.Zum einen verlieren räumliche Entfernungen durch weltweite Kommunikationsund Transportmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung. Zum anderen zeigen die Erfolge von regionalen Clustern, dass räumliche Nähe und persönliche Kommunikation eine hohe Bedeutung haben. Nach der ersten branchenübergreifenden Studie über Cluster-Initiativen (Global Cluster Initiative Survey GCIS) befassen sich die meisten mit IuK-Technologie (34,5%), gefolgt von Medizintechnik (14,7%) und Produktionstechnik (13,4%). 12,6% wurden im Bereich Biopharmazie initiiert und 11,3% im Bereich Automobilindustrie.

(Quelle: Wirtschaftskurier November 2007)

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